„Und wo fliegst du hin? Fliegst du weg oder zurück?“
So jetzt hat er es also geschafft. Das stete Ignorieren seiner extra lustigen Kommentare und interessierten Blicke seit dem Boarding waren anscheinend kein eindeutiges Signal dafür, dass ich nicht an belanglosem Small Talk zwischen zufälligen Sitznachbarn im Flugzeug interessiert bin.
Ich überlege kurz und entschließe mich, die Frage wohin ich fliege, in einem Flugzeug von Wien nach Amsterdam, anstandshalber zu übergehen, den Rest mit einem nicht zufriedenstellenden „Nein“ zu beantworten und mich wieder in meinem Buch zu vertiefen. Aus den Augenwinkeln sehe ich wie er sich auch wieder enttäuscht seiner Zeitung widmet.
Doch mit meiner Konzentration für Kipling’s Kim ist es vorbei. Was als harmloses Geplauder gedacht war, krallt sich in meinen Gedanken fest. Flieg ich weg oder flieg ich heim? Ich hätte die Fragen genauso gut mit Ja beantworten können ohne lügen zu wollen.
Klar, ich weiß wo ich wohne. Das ist momentan in Südholland. Die Frage woher ich gerade komme ist auch einfach zu beantworten. Ich komme gerade aus einem kleinen Ort in der Obersteiermark wo ich meine Eltern besucht habe. Auch da hab ich mal gewohnt. Zuhause, Heimat, Daheim. Alles eine Nudel, ein Teig? Eher nicht.
Beim Surfen im Internet springt mir mit Schnörkel und Herzchen verziert ein Satz entgegen der sich als Universalantwort auf meine nicht ausgesprochene Fragestellung anbiedert.
Home is where your heart is.
Ein wunderschöner Satz um ihn mit Kreuzstichmuster auf ein Zierkissen zu sticken, ihn auf einer Ikeacouch neben einer Schöner wohnen-Zeitschrift und einer Vanille-Cappuccino-Duftkerze zu legen.
Eigentlich die perfekte Lösung eine durch hirnloses Blabla heraufbeschworene Sinnfrage mit einer Facebook-Philosophie für Seichtwasserzuchtperlentaucher zu beantworten.
Wo ist also Heimat? Wo ist dieser Ort?
Wo ich wohne? Wo ich geboren wurde? Und wie genau muss die potentielle Antwort geographisch eingeschränkt sein? Hausnummer, Region, Land, Europa, Welt? Zuhause in der Welt als Antwort? Platz genug um in diesem Zuhause verloren zu gehen.
Ist Heimat dort, wo einem liebe Menschen, Freunde, Verwandte wohnen? Würde dies bedeuten, wenn der beste Freund beschließt umzuziehen, ist dann dort auf einmal nicht mehr Heimat? Wieviele Freunde müssten umziehen damit das passiert? Oder sollten einfach alle Menschen im nahen Umfeld dazu verdonnert werden, sich nicht zu verändern, sich nicht weiterzuentwickeln und auf keinen Fall umzuziehen um die Frage nach Heimat nicht zu verkomplizieren.
Für einen gewissen Anteil der Menschheit, der noch am gleichen Ort lebt, wo er geboren wurde und niemals für längere Zeit woanders gelebt hat, kann man Zuhause und Heimat gleichsetzen. Für den Rest der Welt, alle Expats, Austauschstudenten und Mauersegler ist Zuhause zeitabhängig. Orte, an denen man sich Zuhause gefühlt hat, jedoch nicht uneingeschränkt zurück will und kann.
Die Formel für Heimat beinhaltet jedoch keine Variable.
Die richtige Frage die zur Antwort auf die Frage nach Heimat führt ist vielleicht nicht:
Wo kommst du her?
sondern eher:
Wo willst du hin?
Heimat ist ein Grenzwert. Der Ort, an dem man irgendwann mal ankommen wird, egal wie oft man umzieht. Der Ort, von dem man dann nicht mehr weg will, egal wo er ist. Das Ende einer Suche.
Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade zum Thema Heimat von komsi.komsii – Aus dem Leben eines Nordmädchens.
Gut gesagt! 🙂
Danke!
Klasse Idee mit der Formel;) Gibt einem einen neuen Ansatz… Wenn du magst, schau doch mal bei http://www.thejconspiracy.de vorbei. Das ist unser musikalisch-fotografisches Projekt zum Thema „Heimat“.
Danke 🙂 cooler song!