Irgendwie gehört es zum guten Ton, auf Reisen irgendeine besondere Sehenswürdigkeit bei Sonnenaufgang zu bewundern. Um die Besonderheit des Moments an einem besonders besonderen Ort zu erleben. Und natürlich um tolle Fotos zu schießen, da ja der besondere Ort bei besonderem Licht noch mehr besonders ist. Auf Grund dieser dubiosen, etwas vernebelten Überlegungen harrte ich schon bei Eiseskälte und Dunkelheit am Mt. Kinabalu aus, ließ mich am Fuji in Hühnerlegebatterien-ähnlichen Almhütten herumscheuchen und kämpfte mit hundert anderen Touristen um den besten Fotoplatz vor dem Uluru. Warum dieses besondere Erlebnis nicht mal in heimischen Gefilden erleben? Als besonderen Ort für den besonderen Moment hatte ich einen besonderen Berg auserkoren: den Fölzstein.
Im September ist der Sonnenaufgang in der Steiermark ca. 6:30 Uhr. Noch während ich am Rechnen bin, wann wir also bei einer Gehzeit von ungefähr 4 Stunden los müssen, um die Sonne am Gipfel aufgehen zu sehen, zwingt mich das Gemeckere meiner potentiellen Mitwanderer zu einen lahmen Kompromiss mit dem es eigentlich unmöglich ist, bereits bei Sonnenaufgang bereits am Gipfel zu sein. Treffpunkt ist also 5:30 Uhr am Parkplatz in der Fölzklamm.
Der Nachteil beim Loswandern vor Aufgang der Sonne ist das Fehlen derselben: die ersten Meter legen wir in Dunkelheit zurück und verkoffern uns prompt. Der Einstieg zum unbeschilderten Weg ist noch recht einfach zu finden, direkt neben dem E-Werkgebäude führt ein steiler Waldweg in die Dunkelheit. So früh hat auch ein Waldkauz nicht mit Bergsteigern gerechnet, denn von unseren Schritten aufgescheucht fliegt er plötzlich über unsre Köpfe hinweg.
Trotz Stirnlampen ist der Weg in der Dunkelheit schwierig zu finden und wegen einer falschen Entscheidung stehen wir plötzlich vor einer steilen Felswand. Wir betrachten die zusätzlichen Höhenmeter als Aufwärmübung und lassen das steile Waldstück bald hinter uns, um auf einer Lichtung bereits unser Ziel in der Morgendämmerung im Blick zu haben. Die Wiese im immer enger werdenden Tal eröffnet uns die Aussicht auf die gesamte Strecke die wir noch zu bewältigen haben. Vor dem bereits rötlich gefärbten Himmel streben das Zirbeneck und der Fölzstein in die Höhe. Nach mehreren (teilweise unnötigen, weil wieder verkoffert) Bachüberquerungen, beginnt es wieder stark zu steigen.
Sobald wir den Brennsattel erreicht haben passiert es: hinter einem grauen Nebelschleier erscheinen einige Wolken etwas heller. Der Sonnenaufgang.
Wenig beeindruckt von diesem nicht so erhebenden Naturschauspiel, aber auch nicht mehr enttäuscht, den doch nicht so besonderen Moment nicht am Gipfel zu erleben, setzen wir den Weg fort uns fühlen uns plötzlich beobachtet. Eine Herde Gämsen starrt uns von einer gegenüberliegenden Felswand neugierig an. Nachdem wir lange genug zurückgestarrt haben, legen wir die letzten Höhenmeter aufs Zirbeneck zurück. Die Aussicht auf Messnerin, Trenchtling und Zinken auf der einen Seite, und über den Karlhochkogel auf den Hochschwab verdrängt die leisen Beschwerden der durch die vielen Höhenmeter immer schwerer werdenden Beine.
Die Sonne gewinnt inzwischen den Kampf mit Nebel und Wolken, und bei strahlend blauen Himmel und Sonnenschein überschreiten wir den Grat zwischen dem Zirbeneck und dem Hochplateau des Fölzkogels. Bevor wir den Zielsprint auf das Gipfelkreuz des Fölzsteins starten, beobachten wir einige schon sehr fette Murmeltiere am Fölzkogel.
Um halb zehn sitze ich dann bereits beim Gipfelkreuz in der Sonne und starre in den Abgrund an der Südseite des riesigen Felsens, der den Blick übers gesamte Thörler Tal freigibt. Ab und zu wage ich auch einen sehnsüchtigen Blick über die Schulter Richtung Hochschwabgipfel, der sich heute leider nicht mehr ausgeht.
Zurück geht’s über den Normalweg über die Fölzalm, nicht ohne die obligatorische Kaspressknödelsuppe mit Himbeerkracherl genossen zu haben. Der imposante, über der Fölzalm thronende Mitteralmturm lässt mich schon von der nächsten Wanderung träumen…
Route: Fölzklamm – Brennsattel – Zirbeneck – Fölzkogel – Fölzstein – Fölzalm – Fölzklamm
Höchster Punkt: Fölzkogel (2022 m), Fölzstein (1946)
zurückgelegte Höhenmeter: 1228
Länge: ca 13 km
Aufstieg: ca 3,5 h
Du willst auch den Murmeltieren zuschauen? Eine genaue Beschreibung der Route findest du hier (bergfex).
Hallo A. ,
14 lange Tage habe ich auf deinen Blog gewartet. Endlich ist er da, in aller Kürze, die Schmankerl kurz angekratzt, man merkt an deinem Schreibstil, das du mal Journalistin werden wolltest.
Ich freue mich schon auf den nächsten Artikel und vor allem die Fotos. Schade das die Schlangen nicht mit auf´s Bild wollten, oder wolltet ihr sie nicht?
PS: Ich hatte schon am nächsten Tag nach dem Fölzstein, Muskelkater mit gefühlten dicken schweren Beinen, das ich dachte , ich wäre ein Frosch und kann doch nicht springen.
Hallo Wolfgang,
wenn ich gewusst hätte dass der Beitrag so sehnsüchtig erwartet wird, hätt ich mich noch mehr beeilt… Freut mich, dass er dir gefallen hat. Übrigens, wenn du keinen Beitrag mehr verpassen willst, dann kannst du dich registrieren (du musst nur deine email-Adresse in das Feld unten am Ende der Seite einfüllen), dann wirst du automatisch mit einem email verständigt wenn ein neuer Artikel online ist. Muskelkater hat sich bei mir in Grenzen gehalten, aber nach der Wanderung und Canyoning und Wandern am Donnerstag (Blogbeitrag kommt noch), und der Wanderung auf die Mitteralm (auch im Blog) am Freitag, war ich dann schon müde und froh darüber, den ganzen Montag im Schreibtischsessel sitzen zu können…
lg Astrid